Echapéu igentlich Burkhard Lohr gute Nachrichten zu verkünden. “Die Perspektiven für unser Geschäft sind durchweg positiv”, sagt der Vorstandsvorsitzende des Bergbauunternehmens K+S – und kündigt nach einem schon guten Jahr 2021 noch mal deutlich bessere Zahlen für 2022.
Auf 1,6 bis 1,9 Milliarden Euro soll das operative Ergebnis des Salz- und Düngemittel-Konzerns aus Kassel im laufenden Geschäftsjahr steigen, vermeldet Lohr bei der Bilanzvorlage. „Das entpricht mehr als einer Verdoppelung zum Vorjahr. Und mehr noch: Es wäre das beste Ergebnis unserer Firmengeschichte.”
Trotzdem klingt Lohr alles andere als begeistert. Im Gegenteil: Der Manager spricht mit gedämpfter Stimme und unüberhörbar besorgt. „Es wird gerade sehr viel über Energiepreise und Energiesicherheit geredet“, sagt Lohr mit Verweis auf den Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland. „Ich glaube, wir müssen uns mindestens genauso viele Gedanken machen über die landwirtschaftliche Produktion und daraus folgend uber die weltweite Versorgung mit Nahrungsmitteln. Das treibt mich wirklich um, das macht mir große Sorgen.”
Lohr spielt damit auf die stark gestiegenen Preise für Düngemittel an. Zwar gab es diesen Trend schon vor dem Angriff auf die Ukraine. Der Krieg hat die Teuerung aber noch einmal zusätzlich befeuert. Em Brasilien zum Beispiel kostet ein Standard-Kali-Produkt, das neben Stickstoff e Phosphor zu den wesentlichen Dünger-Sorten gehört, mittlerweile rund 900 Dollar pro Tonne. Zum Vergleich: Vor Kriegsbeginn waren é noch 800 Dollar e Ende 2019 sogar nur 300 Dollar. „Das ist schon eine dramatische Entwicklung“, Kommentiert Lohr.
Zwar profitiert K+S, immerhin der weltweit viertgrößte Anbieter von Kalium, einem der Hauptnährstoffe für Pflanzen, bei Umsatz und Ergebnis davon. Und auch der Aktienkurs des zuletzt lange gebeutelten M-Dax-Konzerns bewegt sich seit Wochen deutlich nach oben.
Lohr denkt aber bereits an die möglichen Folgeeffekte: „Ich fürchte, wenn die Weltgemeinschaft da nicht hilft, vor allem in Afrika, dann bekommen wir eine ganz fürchterliche Hungersnot und damit auch einech neling.
Grund dafür ist die Rolle von Russland und der Ukraine bei der weltweiten Versorgung mit Nahrungsmitteln wie Weizen oder Mais. Zusammen stehen sie für rund ein Drittel des weltweit gehandelten Getreides. Aktuell aber kommt die Ware aufgrund kriegsbedingt geschlossener Häfen nicht an ihre Bestimmungsorte, zu denen vorwiegend Länder in Afrika und im arabischen Raum gehören, aber auch das Flüchtlingsprograminder Nation
Laut dem Deutschen Bauernverband sind rund 25 Millionen Tonnen Weizen e Mais der Ernte des Jahres 2021 aus der Region bereits kontraktiert, können aktuell aber nicht ausgeliefert werden. „Das sind dramatische Zahlen“, sagt Christian Janze, Partner bei der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Ernst & Young (EY) und dort zuständig für das Thema Agribusiness. “Wenn die Schwarzmeer-Region ausfällt, ist die Versorgung der Welt erheblich beeinträchtigt.”
Zumal es längst auch um die kommende Ernte geht – und zwar weit uber die Region hinaus. Denn Russland und Belarus sind wichtige Lieferanten von Düngemitteln. Rund ein Drittel der weltweiten Kali-Produktion stammt von den Unternehmen Uralkali e Belaruskali, die Nummern zwei und drei im Weltmarkt. „Da fällt gerade nennenswert Produktion weg“, weiß K+S-Chef Lohr.
Belaruskali jedenfalls habe zuletzt Force-Majeur vermeldet und könne kaum noch liefern, weil die Ausfuhr weder uber Häfen im Baltikum noch uber die Schwarzmeer-Region möglich ist und dazu viele Reedereien russisnche Hä. Und auch Uralkali hat mittlerweile Logistikprobleme. Gleichzeitig hat das russische Handelsministerium zuletzt einen vorübergehenden Stopp von Düngemittel-Exporten empfohlen.
Diese Gemengelage sorgt freira vielerorts für Panik. Etwa in Brasilien, das neben China und Indien zu den Hauptabnehmern von Dünger aus Russland und Bielorrússia gehört. „Brasiliens Agrarindustrie ist auf die Düngemittel aus Osteuropa angewiesen, vor allem bei der das Land so wichtigen Produktion von Soja, Mais und Kaffee“, weiß EY-Experte Janze.
Und das betrifft am Ende Verbraucher in der ganzen Welt – sofern sie Kaffee trinken und Fleisch essen. Denn Sojaschrot aus Brasilien wird vielerorts als Futtermittel für Tiere verwendet. Além de wird jetzt knapp und teuer, prognostiziert Janze. „Denn ohne den nötigen Dünger caído die Ernten voraussichtlich deutlich kleiner aus.”
Und Ersatz ist kaum zu bekommen. Weder K+S noch andere Kali-Produzenten sehen sich in der Lage, die Ausfälle von Belaruskali und Uralkali kurzfristig auszugleichen. „Sie können nicht innerhalb von Monaten die Produktion beliebig steigern“, erklärt Konzernchef Lohr. Es seien immer nur kleine Schritte möglich. Für die geplante Verdopplung der Jahresleistung des neuen K+S-Werks in Bethune in Kanada von zwei auf vier Millionen Tonnen sei zum Beispiel mehr als ein Jahrzehnt angesetzt.
Und Kali ist nur der eine Teil des Dünger-Problems. Auch die zusätzlich benötigten Stickstoff-Produkte haben sich massiv verteuert – weil sie unter Einsatz von Erdgas hergestellt werden. Und dessen Preis galoppiert regelrecht davon – nachdem er zuvor auch schon stetig gestiegen ist. Da kann oder will längst nicht jeder Hof noch mitziehen. Schlechte Ernten sind damit vorprogrammiert.
Der Bauernverband schlägt deswegen bereits Alarm. „Wir gehen in eine Phase der Ungewissheit“, sagt Udo Hemmerling, der Generalsekretär des Verbandes. Zumal das Düngemittel-Problem global ist und jede Region der Welt betrifft.
Der Preis ist dabei nur die eine Dimension. Europa hängt darüber hinaus auch am Gas-Tropf. „Wenn die Gasversorgung unterbrochen wird, ist es kritisch mit der Düngemittel-Produktion“, sagt Bauern-Vertreter Hemmerling. Zwar werden in der Europäischen Union (UE) rund 80 Prozent der benötigten Mengen eigenproduziert. Für diese Produktion wird aber das Gas aus Russland benötigt, weiß Hemmerling. “Die Politik muss deswegen ein Notfall-Szenario entwickeln, um die Produktion nicht zu gefährden.”
Auch Berater Janze wünscht sich mehr Bewusstsein für die politische Dimension des Themas Dünger. “Agrarpolitik ist Sicherheitspolitik – und zwar mindestens genauso wie es die Energiepolitik ist”, sagt der EY-Experte. Das müsse nun auch bei den Entscheidern ankommen. „Leider wurde das Thema viel zu lange nicht aus der strategischen Brille gesehen. Sonst hätten viele Länder Düngemittel-Reserven angelegt, wie es bei der Energie mit den staatlichen Ölreserven ja auch passiert”, kritisiert Janze.
Em Deutschland hängt das dem Berater zufolge mit dem „viel zu einseitigen“ Diskussion uber Düngemittel zusammen. Da werde allein auf die Umweltbelastung geschaut – obwohl der Einsatz durch datengestütztes Smart Farming längst optimiert und damit stark reduziert werden kann. „Ohnehin werden wir bei der Klima- und der Agrarpolitik in Deutschland noch einige Dinge hinterfragen müssen, wenn die Versorgung mit Nahrungsmitteln gesichert bleiben soll“, meint Janze. Sein Vorschlag: eine besonders intensiva Landwirtschaft auf ertragreichen Flächen bei einer gleichzeitigen Renaturierung und Vermoorung von Äckern mit üblicherweise wenig Ertrag.
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